Praxisorientierte Besucherforschung anhand von Visitor Identities

Anwendungen der modernen Motivationsforschung ? Schritt für Schritt mit Fallbeispielen

Besucherforschung umfasst heute weit mehr als die Erfassung sozio-demografischer Kriterien mit Hilfe quantitativ-deskriptiver Daten. Museen, Konzerthäuser, Theater und Freizeiteinrichtungen sind zunehmend an den Einstellungen und Motivationen interessiert, die dem Besucherverhalten zugrunde liegen. Diese Informationen sind nicht nur für das Marketing bzw. die Gewinnung oder Bindung von Besuchern relevant, sondern haben auch einen hohen Stellenwert für die ausstellungsdidaktische oder museumspädagogische Gestaltung. Vor dem Hintergrund eines aktiven und erlebnisorientierten Publikums geht die Forschung vermehrt davon aus, dass Besucher aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen und Werte dem kulturellen Ereignis einen subjektiven Sinn verleihen und ihr Besuchserleben selbst „konstruieren“. Zu diesen konstruktivistischen Konzepten zählt die Besuchertypologie der Visitor Identities (John Falk), das im angloamerikanischen Raum enorme Verbreitung gefunden hat.

Im Workshop wird u. a. am Beispiel des Science Center Technorama, dem grössten ausserschulischen Lernort der Schweiz, gezeigt, wie Phänotypen mit homogenen Motivationsmustern identifiziert und zielorientiert angesprochen werden können. Visitor Identities sind hilfreiche Abstraktionen, jedoch fehlt ihnen der Bezug zu konkreten Eigenschaften oder Angeboten der Institution. Daher wird in einem zweiten Teil diskutiert, wie durch den Einsatz qualitativ-analytischer Verfahren (means end-Analyse und Laddering-Technik) die mit einer Einrichtung assoziierten Wertvorstellungen aufgedeckt und detaillierte Besuchersegmente abgegrenzt werden können. Die auf diesem Wege gewonnenen Erkenntnisse können sowohl zur Bewertung und gegebenenfalls Legitimation öffentlich geförderter Leistungsprogramme dienen als auch zur publikumsorientierten Weiterentwicklung von kulturellen Angeboten und Vermittlungsprogrammen.


Foto

Helge Kaul ist Dozent und Projektleiter für Kultur- und Freizeitmarketing und seit mehr als zehn Jahren an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) tätig. Nach seinem Universitätsabschluss als Diplom-Kaufmann arbeitete er zwölf Jahre als Online Marketing Manager in der Musikindustrie (u. a. Yamaha Corp.) sowie in der Markenberatung (MetaDesign AG). Sein Schwerpunkt ist die praxisnahe Forschung, Beratung und Lehre rund um Kultur-, Event- und Erlebnismarketing, interaktives Marketing und strategisches Management. In all diesen Bereichen ist er auch in der Weiterbildung tätig. 2017 erfolgte die Promotion zum Dr. phil. an der Freien Universität Berlin. Verschiedene Studien von Helge Kaul, unter anderem zu Social Media in der Kultur, haben in der Kulturmanagement-Community Verbreitung und Aufmerksamkeit erlangt. In einem Langzeitprojekt des Schweizer Bundesamtes für Kultur ist er aktuell als Experte für die Digitalisierung der kulturellen Wertschöpfung tätig. Soeben erschien sein aktuelles Buch "Kooperatives Kulturmarketing", das Kulturkonsumenten konsequent als Marketingpartner betrachtet und verschiedene Ansätze einer Beteiligung des Kulturpublikums auf Augenhöhe integriert. Helge Kaul hat darüber hinaus langjährige Erfahrung in der Besucherforschung, aktuell ist er Berater in einem Grossprojekt zur standardisierten, online-gestützten Analyse der Besucherstrukturen deutscher Museen.